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Eckstein, Felix, Geldschuld und Geldwert im materiellen und internationalen Privatrecht (1932), p. 124 et seq.

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Eckstein, Felix, Geldschuld und Geldwert im materiellen und internationalen Privatrecht (1932), p. 124 et seq.
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Geldschuld und Geldwert im materiellen und internationalen Privatrecht

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Anhang

Rechtsvergleichende Bemerkungen

I. Die herrschende nominalistische Lehre scheint eine starke
Unterstützung durch die Rechtsvergleichung zu erfahren; denn überall herrscht der Nominalismus vor. Aber wenn man beobachtet, worauf die Herrschaft des Nominalismus zurückgeht, erkennt man, daß die Verbreitung des Nominalismus kein Beweis für seine Notwendigkeit und Richtigkeit ist. Denn es zeigt sich, daß er sich aus älteren Zeiten trotz Änderung der Verhältnisse, die für sein Aufkommen entscheidend waren, bis in die Gegenwart erhalten hat. Zwei aufeinander folgende Epochen haben die heutige Herrschaft des Nominalismus begründet und befestigt, freilich aus verschiedenen Gründen: Die erste ist die Zeit, in der der Staat sein Geldregal mittels häufiger Geldverschlechterung zur Befriedigung seiner finanziellen Bedürfnisse benützte und deshalb den Zwangskurs für das schlechtere Geld statuierte; die zweite ist die Zeit, in der die große Stabilität der Währungsverhältnisse in den meisten Ländern kein Bedürfnis für den Valorismus wach werden ließ. In der Gegenwart sind beide Epochen überwunden. Die Geldhoheit wird — von Fallen dringender Staatsnot, wie namentlich im Falle eines Krieges, abgesehen — nicht mehr als Einnahmequelle betrachtet und zu diesem Zweck nicht mehr absichtlich eine Geldentwertung hervorgerufen. Es treten aber neuerdings aus andern Gründen bedeutende Schwankungen des Geldwerts auf. An diese veränderte Situation beginnen sich die rechtlichen Anschauungen erst zögernd hier und da anzupassen.

Unter diesen Umständen hat eine Darstellung der ausländischen Rechte, die hier meist mehr als das deutsche hinter der Entwicklung der Verhältnisse zurückgeblieben sind, für die Zwecke dieser Arbeit nur einen begrenzten Wert. Daher sei nur ein Blick auf die Gründe der Herrschaft des Nominalismus in den wichtigsten Ländern des Auslands geworfen.277

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II. Es gibt zunächst Länder, in denen man sich für den Nominalismus auf eine Bestimmung des positiven Rechts berufen kann. Eine solche Bestimmung ist Art. 1895 Code civil, der bestimmt:

L'obligation qui resulte d'un prêt en argent, n'est toujours que la somme numérique énoncée au contrat.

S'il y a augmentation ou diminution d'espèces avant l'époque de payement, le débiteur doit rendre la somme numérique prêtée, et ne doit rendre que cette somme dans les espèces ayant cours au moment du payement.

Es ist nicht so unzweifelhaft, ob diese Bestimmung den Nominalismus rechtfertigt, wie man vielfach glaubt. Es sind dagegen beachtliche, m. E. allerdings nicht überzeugende Gründe vorgebracht worden. Man könnte vielleicht zunächst einwenden, daß Art. 1895 nur vom Darlehn handelt; aber dem ist entgegenzuhalten, daß es nicht zu begreifen wäre, warum gerade das Darlehn, nicht aber auch andere Geldschulden nominalistisch behandelt werden sollten. In dieser Hinsicht besteht auch in Frankreich Einigkeit. Weit zweifelhafter aber ist, ob Art. 1895 auf Zahlungen in Papiergeld Anwendung finden kann. Art. 1895 bezeichnet die Geldzeichen als espèces und unter espèces sind regelmäßig nur Münzen zu verstehen.278  So tragen die Noten der Bank von Frankreich den Aufdruck „payable en espèces". Vielfach glaubt man Art. 1895 deshalb auf Geld jeder Art beziehen zu müssen, weil man zur Zeit seiner Abfassung unmöglich die Assignaten vergessen haben konnte.279  Aber dabei übersieht man, daß es zur Zeit der Schaffung des Code civil nicht nur kein annahmepflichtiges Papiergeld gab, sondern von der Regierung (Napoleon) die bestimmteste Versicherung abgegeben wurde, daß niemals Papiergeld mit Annahmezwang ausgestattet werden sollte.280  Ueberdies war der Franc gesetzlich als eine bestimmte Edelmelallmenge definiert.281  Das Richtige ist wohl, daß Art. 1895 unmittelbar nur Zahlungen in Münzen betrifft; aber weil es damals kein anderes annahmepflichtiges Geld gab, wird man in dieser Regelung ein allgemeines Prinzip finden müssen.128

Rechtsprechung weiterhin Art. 1895 aus dem Gesichtspunkt, daß das nationale Interesse grundsätzlich nur für die Regelung innerstaatlicher Beziehungen maßgebend sein dürfe, nicht für zwingend gegenüber Vereinbarungen in internationalen Rechtsverhältnissen.291 292 Völlig ist sich allerdings auch die französische Rechtsprechung über die Natur des Zwangskurses nicht klar geworden; sie hat nämlich nicht gesehen, daß nur das finanzpolitische Interesse des Staates den Zwangskurs erfordert und Art. 1895 nur hierauf beruht, und hat daher zu Unrecht auf ausländische Währung gehende Forderungen ohne Wertklausel ohne weiteres nominalistisch behandelt.293

III. In Italien294 ist die Rechtslage weit unklarer als in Frankreich. Dies liegt zum großen Teil an der italienischen Gesetzgebung. Hier stehen nebeneinander Bestimmungen, die aus der Zeit des Code civil stammen und also den zwingenden Nominalismus fordern, und Bestimmungen jüngeren Ursprungs, die sich mit der zwingenden Kraft des Zwangskurses nicht vertragen. Italien hat nämlich einerseits Art. 1895 Code civil in Art. 1821 Codice civile und Art. 475 n. 11 Code penal in Art. 441 Codice penale übernommen, andererseits aber in Art. 1822 Codice civile für den Fall der Auszahlung des Darlehns in Goldmünzen unter Vereinbarung der Rückzahlung in gleicher Münze den inneren Wert der Münzen für maßgebend erklärt. Was speziell den Zwangskurs der Banknoten anlangt, so wurde im Jahre 1866 unter gleichzeitiger Aufhebung der Einlösungspflicht die Verpflichtung zu ihrer Annahme zum Nominalwert ungeachtet abweichender Vereinbarungen statuiert295 , damit also der Nominalismus zwingend vorgeschrieben. Im Jahre 1881 wurde die Einlösungspflicht wieder hergestellt; zugleich wurden alle der Vereinbarung von in Metallgeld zahlbaren Schulden entgegenstehenden Bestimmungen aufgehoben.296 Im Jahre 1894 wurde schließlich die Einlösungspflicht wiederum beseitigt, diesmal aber keine Bestimmung über valoristische Vereinbarungen getroffen.297 Bei diesem 129 Stand der Gesetzgebung ist es nicht verwunderlich, wenn die italienische Rechtsprechung und Literatur im Dunklen tappt. Im allgemeinen scheint die Tendenz dahin zu gehen, Art. 1821 als dispositive Bestimmung zu behandeln.

IV. Im Gegensatz zu dem französischen Recht enthält das englische Recht keine gesetzlichen Bestimmungen, die den Geldwert bei der Behandlung der Geldschulden für rechtlich unerheblich erklären. Die nominalistische englische Einstellung ist das Ergebnis einer Jahrhunderte langen Stabilität der Währung, die nur durch vorübergehende Schwankungen, nach denen das Pfund seine Parität wieder erreichte, unterbrochen wurde.298 Der staatsfinanzielle Gesichtspunkt, der für die Entwicklung in Frankreich von so großer Bedeutung war, hat in England nur eine geringe Rolle gespielt. Wohl stand der Krone auch in England das Münzregal und damit die Befugnis zu, den Münzen einen bestimmten Nennwert zu verleihen. Es setzte sich aber frühzeitig die Auffassung durch, daß der König nicht berechtigt sei, den Münzen einen andern Nennwert als den Sterling value, d. h. ihren inneren Metallwert, zu geben. Unter diesen Umständen ist es begreiflich, daß man Nennbetrag und Wert (deno-mination und value) einfach gleichsetzte299 und also im Nennbetrag eine Bestimmung über den Wert der Münzen fand. In den Zeiten der napoleonischen Kriege sah sich nun allerdings der englische Staat genötigt, uneinlösliche Banknoten zu gesetzlichen Zahlungsmitteln zu erklären. Papiergeld war damals eine Ausnahmeerscheinung300 , und es herrschte die heute noch nicht allgemein überwundene Anschauung, daß nur Münzen wahres Geld seien. Die Banknoten wurden als Versprechen der Leistung einer ihrem Nennbetrag entsprechenden Summe vollhaltigen Geldes aufgefaßt, dessen Erfüllung nur vorläufig suspendiert war. Die Behauptung, daß diese Banknoten nicht ihren vollen Wert hätten, bedeutete eine Anzweifelung der Zahlungsfähigkeit oder Zahlungswilligkeit des Staates. Wenn nun auch der Verkehr dem staatlichen Versprechen nicht traute und der Verkehrswert der Banknoten weit unter pari sank, so schien es doch selbstverständlich, daß die Staatsbehörden und unter ihnen die Gerichte die Behauptung der Unterwertigkeit der Banknoten nicht beachten konnten und daher ein Anspruch nicht mit der Entwertung der Noten 130  begründet werden konnte. Diese Auffassung behielt nun insofern Recht, als die volle Goldeinlösung der Noten später wiederaufgenommen wurde, was den Nominalismus noch mehr befestigte. Demgemäß faßt man in England die Bestimmungen über den Annahmezwang, die dahin lauten, daß ein Angebot in dem betreffenden Gelde legal tender sein solle301 , dahin auf, daß sie die Annahme zum Nennwert im Sinne des Nominalismus vorschreiben. Auf dem Boden des unangefochten herrschenden Nominalismus entwickelte sich die anscheinend als selbstverständlich geltende Lehre, daß die Geldschuld ihrem Wesen nach auf Geldeinheiten (units of account) ohne Rücksicht auf ihren Wert gehe. Auf Grund dieser Ansicht, die, wie oben302 gezeigt, auf einer Verkennung des Wesens und der Funktion des Geldes beruht, hält man es für unmöglich, eine einfache Geldschuld dahin auszulegen, daß Wert geschuldet sei, und sieht es sogar als unerheblich an, daß die Parteien, wenn sie die Möglichkeit einer Geldentwertung bedacht hätten, unzweifelhaft eine Goldklausel vereinbart hätten.303 Infolgedessen hält man in England — wie in Deutschland — unter Nichtbeachtung des nationalen Zwecks, der jedem haltbaren Nominalismus zu Grunde liegt, Goldklauseln und Wertklauseln für wirksam und behandelt andererseits auch Geldschulden in ausländischer Währung nominalistisch.304

V. Eine ähnliche Entwicklung können wir in den Vereinigten Staaten von Nordamerika beobachten. Allerdings hatte man dort in der Zeit des Bürgerkrieges die Beeinträchtigung der Rechte der Gläubiger durch den Zwangskurs besser erkannt, und es war infolgedessen in den berühmten Legal Tender Cases305 zum Kampf um die den Zwangskurs des entwerteten Papiergeldes vorschreibenden Gesetze gekommen, deren Verfassungsmäßigkeit die Mehrheit des Supreme Court, nachdem dieser zuerst einen entgegengesetzten Standpunkt eingenommen hatte, schließlich bejahte. Die Ansicht, daß die Geldschulden ihrer Natur nach auf Geldeinheiten gingen und die Zahlung in entwerteten Geldeinheiten dieser Art daher keine Beeinträchtigung der Rechte der Gläubiger bedeute, findet sich allerdings schon in den Gründen des die Verfassungsmäßigkeit der Legal Tender Acts bejahenden Urteils306 . Seither wurde diese Anschauung allmählich 131  zur Selbstverständlichkeit und so der prinzipielle Nominalismus in den Vereinigten Staaten herrschend. Dies führte dazu, daß die amerikanischen Gerichte auch auf ausländische Währung lautende Schulden, insbesondere Markschulden, nominalistisch behandelten307 , was deshalb besonders auffällig ist, weil Wharton die unter dem richtigen Gesichtspunkt stehende Lehre vertritt, daß der Zwangskurs nur territoriale Geltung habe.308

VI. Zum Schluß sei auf das allmähliche Vordringen des Valorismus in Deutschland wie im Ausland hingewiesen. Noch in Nußbaums im Jahre 1925 erschienenem Geld richtet sich die Auseinandersetzung mit dem Valorismus fast ausschließlich gegen S a v i g n y.309 Inzwischen sind das allgemeine Schuldrecht von K r e ß, der ganz valoristisch eingestellt ist, die einen extremen Metallismus vertretende Arbeit von Gerber310 und die neueren weiter vertieften Arbeiten von Stampe erschienen311 , die zwar im wesentlichen historische Untersuchungen sind, in denen Stampe aber auch für die Gegenwart gegen den Nominalismus Stellung nimmt312 , und ferner hat sich J. Goldschmidt gegen den Nominalismus ausgesprochen313 314 . Für das Ausland wußte Nußbaum als grundsätzlichen Vertreter einer valoristischen Auffassung nur den Kassationshof Konstantinopel zu nennen315 . Jetzt liegt das Werk von Hubrecht vor, der in Frankreich das nominalistische Problem bei weitem am eingehendsten und gründlichsten untersucht hat und zu streng valoristischen Ergebnissen kommt. Auch Mater steht in seinen neueren Veröffentlichungen316 auf einem durchaus valoristischen Standpunkt und vertritt die Behandlung aller Vorkriegs-frankenforderungen als Metallwertforderungen. Endlich ist sehr beachtenswert die Stellungnahme von Oser in der neuen Auflage 132  seines Kommentars zum schweizerischen Obligationenrecht317 , der nur mit Rücksicht auf die Unmöglichkeit, alles seit Kriegsbeginn Geschehene rückgängig zu machen, nicht die valoristische Behandlung der Geldschulden vertritt und den Valorismus grundsätzlich als berechtigt anerkennt.

277Eine eingehende rechts vergleichende Darstellung gibt Nußbaum S. 130 ff., 171 ff., 183, auch Vertraglicher Schutz gegen Schwankungen des Geldwertes 1928 S. 11 ff., für die international-privatrechtlichen Fragen auch Neumeyer S. 296 ff., 338 ff., 356, 361 ff.
278Im ersten Absatz des Art. 1895 ist die Rede von prêt en argent, nicht prêt de monnaie, was in dieselbe Richtung deutet; siehe Hubrecht S. 100.
279Z. B. Nußbaum S. 131, Ascarelli S. 138.
280 Siehe den Bericht des Tribunats an die gesetzgebende Körperschaft in den Vorarbeiten zum Gesetz von 1806 über die Bank von Frankreich, Dalloz, Jur. gén, verbo Banque, Fußnote 64.
281Siehe Gesetz vom 28. März 1803 (17 germinal an XI). Vgl. oben S. 19 N. 43
291 Siehe z. B. Esmein a.a.0. S. 307; Nußbaum a.a.O. S. 15 ff.
292Bei der Unterscheidung zwischen internen und internationalen Geschäften scheint im allgemeinen darauf abgestellt zu werden, ob ein Austausch von Werten zwischen zwei Ländern sich vollzieht; siehe-Esmein in Z. f. Ausl. u. Intern. Privatrecht 1930 S, 129 ff., auch 1927 S. 306 f.; 1928 S. 676 f.; 1930 S. 952 f.; 1931 S. 452 f.
293 Siehe z. B. Cour cass. in Dalloz Recueil Périodique 1924, 1, 43; weitere Nachweise bei Neumeyer S. 301 Anm. 19.
294Siehe dazu Ascarelli, Z. f. Ausl. u. Intern. Privatrecht 1928 S. 796; Scaduto S. 51 ff.
295Dekret v. 1. Mai 1866 Art. 2, 3.
296 Gesetz v. 7. April 1881 Art. 3.
297Dekret v. 21. Februar 1894 und Gesetz v. 22 Juli 1894.
298Ob die gegenwärtige Entwertung des englischen Pfundes wieder rückgängig gemacht werden wird, bleibt abzuwarten.
299Vgl. dazu Blackstone, Commentaries on the Laws of England, 9. Aufl. Bd. 1 S. 278; H a 1 s b u r y, Laws of England, Bd. 6. S. 461 (n).
300Blackstone erwähnt das Papiergeld nicht.
301 Siehe Coinage Act, 1870, s. 4; Bank of England Act, 1833, s. 6
302Siehe S. 37.
303Younger L. J. in Re Chesterman's Trusts 130 L. T. Rep. 116.
304Siehe Nußbaum S. 132, N e u m e y e r S. 301 Anm.
305Siehe die Darstellung bei Laughlin S. 481 ff., Nußbaum S. 133 ff.
306Knox v. Lee 12 Wallace 459 auf S. 547 ff.
307Siehe Neumeyer a.a.O.
308Siehe oben S. 111 f.
309Nur einen einzigen gegenwärtigen Vertreter des Valorismus in Deutschland nennt Nußbaum, nämlich Kretschmar (Nußbaum S.69 N.4).
310Geld und Staat 1926; siehe aber dazu oben S. 19 f.
311Siehe oben S. 15 Nr. 34.
312Siehe: Die geschichtliche Entwicklung usw. S. 14 f.
313Aufwertungskrise S. 7 ff.
314Vgl. ferner das oben S. 88 f. angeführte Schrifttum zur Pfundentwertung, ferner Siber, Schuldrecht S. 28.
315S. 137. Außerdem erwähnt Nußbaum verschiedene Entscheidungen ausländischer Gerichte, die die Anwendung des Zwangskurses eines fremden Staates ablehnen und insoweit valoristischen Gedankengängen folgen (S. 141 f.).
316Revue du Droit Bancaire 1928 S. 337 ff., speziell S. 344; 1929 S. 225 ff., speziell S. 235.
3172. Auflage 1929 Art. 84 Anm. 14, 15.

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