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BGE 101 II, 17

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BGE 101 II, 17
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Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Januar 1975 i.S. A. gegen G.

Art. 320 ZGB Verträge über Unterhaltsbeiträge an das außereheliche Kind können ohne entsprechenden Vorbehalt gerichtlich nicht abgeändert werden.

Aus dem Tatbestand:

A. - Am 9. November 1966 erhob A. beim Bezirksgericht Zürich gegen G. eine Vaterschaftsklage auf Vermögensleistungen. Als der Beklagte durch ein Blutgruppengutachten, ergänzt durch eine serostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung, als Vater des Klägers nicht ausgeschlossen werden konnte, schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich der Beklagte zu folgenden monatlichen Unterhaltsbeitragen ohne Kinderzulagen verpflichtete:

a) von der Geburt bis zum zurückgelegten 6. Altersjahr des Klägers je Fr. 180,

b) dann bis zum zurückgelegten 12. Altersjahr je Fr. 200,

c) dann bis zur vollen Erwerbstätigkeit des Klägers, mindestens aber bis zum zuruckgelegten.18. Altersjahr, längstens bis zu seinem zurückgelegten 20. Altersjahr je Fr. 250.

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Mit Beschluß vom 8. Dezember 1967 schrieb das Bezirksgericht Zürich den Prozeß als durch Vergleich erledigt ab.

B. - Mit Eingabe vom 3. Mai 1974 verlangte der Kläger die Abänderung der Unterhaltsbeitrage gemäß Art. 320 ZGB, and zwar von zur Zeit Fr. 200 auf Fr. 530 monatlich; zudem beantragte er eine Indexierung der Beitrage. Das Bezirksgericht Zürich hieß die Abänderungsklage am 19. Juni 1974 teilweise gut, erhöhte die Unterhaltsbeitrage und band diese überdies an den Lebenskostenindex.

Mit Beschluß vom 16. September 1974 hieß das Obergericht des Kantons Zürich einen Rekurs des Beklagten gegen diesen Entscheid gut and wies die Klage ab.

C. - Hiergegen legte der Kläger Berufung beim Bundesgericht ein, mit der er die Erhöhung sowie die Indexierung der Unterhaltsbeitrage verlangt.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht zieht in

Erwägung:

1. - Das Obergericht hat sich bei seinem Entscheid an die herrschende Lehre gehalten, wonach Unterhaltsbeiträge, die auf Vertrag beruhen, nicht unter Art. 320 ZGB fallen and daher vom Richter nicht abgeändert werden können, sofern nicht ein entsprechender Vorbehalt gemacht wurde (HEG NAUER, N. 9-11 zu Art. 320 ZGB, mit weiteren Hinweisen). Der Kläger verlangt eine Neuüberprüfung dieser Praxis.

a) Nach der deutschen Fassung von Art. 320 ZGB kann der Unterhaltsbeitrag an das außereheliche Kind bei erheblicher Änderung der Verhältnisse auf Begehren des Klägers oder des Beklagten neu bestimmt werden. Dies ließe an sich auch die Abänderung von vertraglich festgesetzten Unterhaltsbeitragen zu. Der französische Gesetzestext ist dagegen eindeutig ("Les decisions concernant le montant de la pension alimentaire peuvent etre revisees..."); er erfaßt nur die Entscheidungen über die Unterhaltsbeitrage, nicht dagegen die Vertrage. Daß dies der Wille des Gesetzgebers war, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Ein Antrag, der den Richter ermächtigen wollte, unter den gleichen Voraussetzungen auch Unterhaltsvertrage abzuändern, wurde nämlich im Ständerat ausdrücklich abgelehnt (Sten. Bull. 1905 S. 1215 ff.). Zwar wurde im Nationalrat nicht über einen ent-19sprechenden Antrag abgestimmt. Dies ändert jedoch entgegen der Ansicht des Klägers nichts am klaren Auslegungsergebnis.

b) Daß vertraglich festgesetzte Unterhaltsbeitrage anders behandelt werden als richterlich zugesprochene, ist sachlich gerechtfertigt. Wie die Vorinstanz zutreffend ausfuhrt, ist der Unterhaltsanspruch des außerehelichen Kindes schuldrechtlicher Natur (BGE 78 II 322) and dann rechtsgeschäftlicher Regelung zugänglich (HEGNAUER, N. 82 zu Art. 319 ZGB). Die Parteien können frei darüber verfügen. Schließen sie einen Unterhaltsvertrag ab, so hat die Beitragspflicht des. präsumtiven Vaters ihren Rechtsgrund einzig im Parteiwillen, der auch die Hohe der Beitrage bestimmt. Der Richter ist nicht befugt, in einen solchen Vertrag einzugreifen and vertragliche Pflichten festzusetzen, die die Parteien ursprünglich nicht gewollt haben. Da die Vertragspflichten einzig auf dem gemeinsamen Willen der Parteien beruhen, wäre auch nicht zu ersehen, nach welchen Gesichtspunkten er die Abänderung des Vertrages vorzunehmen Witte. Ein Eingriff des Richters in den Vertrag kommt nur in Ausnahmefallen in Frage, nämlich dann, wenn durch nachträgliche nicht voraussehbare Umstände ein derart offenbares Mißverhältnis zwischen Leistung and Gegenleistung eingetreten ist, daß das Beharren einer Partei auf ihrem Anspruch als mißbräuchlich erscheint (BGE 97 II 398 mit Hinweisen; vgl. dazu Erw. 2).

Aus Art. 153 ZGB läßt sich nichts Gegenteiliges ableiten. Wohl ist nach dieser Bestimmung eine scheidungsrechtliche Rente auch dann herabsetzbar , wenn sie auf Vereinbarung beruht. Abgesehen davon, daß Art. 153 ZGB im Gegensatz zu Art. 320 ZGB die Möglichkeit der Abänderung der Beitrage ausdrücklich vorsieht, unterscheidet sich indessen die Scheidungskonvention wesentlich vom Unterhaltsvertrag indem sie nämlich mit der richterlichen Genehmigung ihren vertraglichen Charakter verliert and Bestandteil des Urteils wird, an dessen Rechtskraft sie teilhat (BGE 60 II 82, 170). Eine scheidungsrechtliche Rente hat somit ihren Rechtsgrund im Scheidungsurteil and nicht im Parteiwillen, auch wenn sie in einer Scheidungskonvention vereinbart worden ist.

c) Dazu kommt, daß es sich bei der von den Parteien abgeschlossenen Vereinbarung um einen Vergleich handelt. Die Vaterschaft des Beklagten konnte durch die Gutachten weder ausgeschlossen noch bewiesen werden. Wie der Prozeß ausge-20gangen wäre, stand nicht fest. Um die daraus entstehende Ungewißheit zu beseitigen, machten beide Parteien gegenseitige Zugeständnisse, deren Ausmaß durch die unterschiedliche Einschatzung des Prozeßrisikos bedingt war. Der Beklagte verzichtete darauf, die Klage in vollem Umfange zu bestreiten, während der Kläger die eingeklagten Leistungen teilweise reduzierte. Der Vorteil des Vergleichs bestand für den Beklagten umgekehrt darin, daß seine Vaterschaft nicht festgestellt und der Prozeß erledigt wurde; anderseits mußte der Kläger nicht mehr befürchten, daß seine Klage abgewiesen wurde (nach den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil betrug die Ausschlußchance für den Beklagten gemäß dem serostatistischen Gutachten lediglich 85%, so daß dieser die Einholung eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens verlangen dürfen, um seine Nichtvaterschaft zu beweisen; BGE 98 II 262 f, 97 II 193 ff.). Bei dieser Sachlage kann der Richter die Vereinbarung erst recht nicht abändern. Die Parteien müßten sich beim Abschluß des Vergleichs bewußt sein, daß sich die finanziellen Verhältnisse des Beklagten verändern konnten. Auch das Risiko der fortschreitenden Geldentwertung konnte ihnen nicht unbekannt sein, betrug doch die Teuerungsrate nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil schon damals 4%. Wenn sie unter diesen Umstanden keinen Abänderungsvorbehalt anbrachten und auch keine Indexklausel vorsahen, so bildet dies das Ergebnis ihrer Vergleichsverhandlungen, das der Kläger, der aus dem Vergleich seinerseits Vorteile gezogen hat, nicht einseitig in Frage stellen kann. Der Ansicht von HEGNAUER (ZSR 1965 II 170 N. 12), wonach beim Unterhaltsvergleich die Abänderbarkeit zu vermuten sei und ausdrücklich wegbedungen werden müsse, wenn sie nicht gewollt sei, kann nicht gefolgt werden. Gerade weil die Parteien die Hohe der Unterhaltsbeitrage in einem Vergleich, also in gegenseitigem Nachgeben, genau festgesetzt haben, geht es nicht an, ihnen zu unterstellen, sie hatten andere Pflichten begründen wollen als diejenigen, die in der Vereinbarung zum Ausdruck kommen.

Daß die Parteien ihre Vereinbarung vor dem Richter getroffen haben, ändert nichts. Der gerichtliche Vergleich unter scheidet sich vom außergerichtlichen nur hinsichtlich der Vollstreckbarkeit sowie allenfalls in bezug auf die Anfechtbarkeit wegen Willensmangeln.

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Somit besteht kein Anlaß, von der bisherigen Praxis abzuweichen and die Änderung von Unterhaltsvertragen zuzulassen.

2. - Zu Recht hat die Vorinstanz auch die Voraussetzungen für einen Eingriff des Richters in den Vertrag auf Grund der clausula rebus sic stantibus als nicht erfüllt betrachtet. Wohl ist nach ihren Feststellungen der Lebenskostenindex seit 1967 um 44% gestiegen. Da die Teuerungsrate jedoch schon damals 4% betrug, war die seither eingetretene Geldentwertung, wie übrigens such die Verbesserung der finanziellen Lage den Beklagten, durchaus voraussehbar. Unter diesen Umständen ist eine Berufung auf die clausula rebus sic stantibus zum vornherein ausgeschlossen (BGE 69 II 144, 59 II 374/375).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Die Berufung wird abgewiesen und der Beschluß des Obergerichts (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 16. September 1974 bestätigt.

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